Borsdorfer Marktwirtschaft: Gemeinde soll vor Weihnachten ein neues Ortszentrum erhalten

Was haben die Holsteinsche Stadt Heide und die Gemeinde Borsdorf gemeinsam? Einen ganz besonderen Marktplatz. Der von Heide ist mit 4,7 ha der größte unbebaute Marktplatz Deutschlands (und nicht wirklich sehenswert). Und der Borsdorfer? Den gibt’s nicht, was ja auch eine ganz besondere Besonderheit ist. Doch das soll sich noch in diesem Jahr ändern, denn für ca. 800.000 Euro soll die unbefestigte Fläche gegenüber dem Rathaus zum Schmuckstück werden. Zum ganz besonderen.

Bürgermeister Ludwig Martin macht die Schuldigen am Borsdorfer Marktplatzdebakel schnell aus. “Als unsere Vorfahren von 1926 bis 1928 das Rathaus bauten, haben sie den Marktplatz leider vergessen”, stellte er kürzlich augenzwinkernd fest (Anmerkung des Autors: Vielleicht können ja die Borsdorfer Heimatforscher etwas zu den Ursachen beisteuern; ich persönlich schiebe es mehr aufs knappe Geld). Doch nun will die Gemeinde Borsdorf den fehlenden Marktplatz schleunigst “nachrüsten”.

Dass das nicht so einfach zu bewerkstelligen ist, verdeutlichte der Bürgermeister bei einer Einwohnerversammlung am 10. Mai 2017. Auf der Fläche des künftigen Marktplatzes wurde ein Jahr vor dem Ende der DDR eine Kaufhalle eingeweiht, die angesichts der neuen Verhältnisse im Marktwirtschaftswunderland nicht mehr wirklich benötigt wurde. Seinerzeit war das Gelände noch im Privatbesitz, später kaufte die Gemeinde den Boden, die Kaufhalle wurde abgerissen und der heutige, mehr oder weniger wilde, Parkplatz entstand.

Die zusammen mit dem Leipziger Ingenieurbüro Glatzer erarbeiteten Pläne der Gemeinde sehen einen Marktplatz vor, der als örtliches Zentrum und Treffpunkt dient, als Markt genutzt werden kann und auch einige Parkplätze bietet. Außerdem soll er eine optische Brücke zwischen Rathaus und Bahnhof darstellen.

Apropos Bahnhof: Die Gemeinde hat dieses Gebäude samt rund 3.500 qm Grundstück vor zehn Jahren für 101.000 Euro von der Deutschen Bahn gekauft, um über die künftige Nutzung des ortsprägenden Ensembles bestimmen zu können. Bis Jahresende werden nach umfangreicher Sanierung die ersten Mieter in den Bahnhof einziehen. Allerdings zeigte sich, dass die Deutsche Bahn bei der Entsorgung des Regenwassers wohl ein wenig “gezaubert” hat; das himmlische Nass verschwindet auf wundersame Weise im Bahngelände. Das ist beim nun kommunalen Bahnhof nicht mehr möglich, sodass zurzeit durch den AZV Parthe ein Abfluss über die Rathausstraße gebaut wird. Um auch bei Starkregen kein Landunter zu haben, wird dieser Abfluss als Staukanal ausgelegt, der Wasser zwischenspeichern kann. Auch der künftige Marktplatz soll in diesen Kanal eingebunden werden. Nach jetziger Planung dauern die Arbeiten am Kanal sowie einer neuen Trinkwasserleitung bis 11. August 2017. Erst dann kann mit dem Bau des Marktplatzes ernst gemacht werden. Sportlicher Fertigstellungstermin ist aktuell der 15. Dezember 2017, was freilich die Gefahr frühwinterlicher Überraschungen birgt …

Ein Blick aufs Luftbild macht deutlich, dass der Platz vor dem Rathaus samt angrenzender Bereiche von Rathaus- und Heinrich-Kretschmann-Straße nahezu quadratisch ist. Das brachte die Planer auf den Gedanken, das gesamte Areal als Quadrat zu gestalten, die Straßen also in den Marktplatz einzubeziehen. Der Platz soll, nachdem der notwendige Unterbau hergestellt und erforderliche Leitungen verlegt wurden, mit kleinteiligem hellem Granit gepflastert werden. Rötliche Granitbänder gliedern die Oberfläche in Quadrate und geben dem Platz Struktur. Parkflächen für max. 22 Pkw samt dreier Ladesäulen für Elektroautos entstehen im westlichen und südlichen Bereich; nach Nordosten hin ist eine Aufenthaltszone geplant. Diese wird ein einfaches, aus großen Findlingen bestehendes Wasserspiel erhalten; mehrere Rundbänke laden zum Verweilen ein. Für Schatten im Sitzbereich sorgen künftig zwei Kugelahornbäume. Allerlei Technik rundet den Marktplatz ab. Für die Nutzung als Wochenmarkt und bei Veranstaltungen sind ausfahrbare Stromverteiler vorgesehen, außerdem ein ansprechend gestalteter Hydrant im Brunnenbereich. Damit beim Weihnachtsmarkt kein Stress aufkommt, wird sogar ein Baumständer in den Boden eingelassen. Und da wir uns im 21. Jahrhundert befinden, wurde sogar an einen öffentlich WLAN-Hotspot gedacht.

Apropos Weihnachtsmarkt: Wenn die aktuelle Terminplanung passgenau umgesetzt wird, wird es vor dem Rathaus in diesem Jahr statt Lichterketten und Glühwein eine Baustelle geben. Für diesen Fall existiert im Rathaus bereits ein “Plan B”, um den traditionellen Markt an anderer Stelle durchführen zu können. Insgeheim liebäugeln die Planer allerdings mit vorfristiger Planerfüllung, sodass der neue Platz mit dem Weihnachtsmarkt eingeweiht werden könnte. Schaunmermal …

Einige Diskussionen gab es bei der Einwohnerversammlung zum Thema Verkehrsberuhigung. Die an den Marktplatz grenzenden Straßen bleiben auch künftig für Pkw und Busse befahrbar. Sie werden mit dem gleichen Granit wie der eigentliche Platz gepflastert, allerdings mit “richtigen Pflastersteinen”, die die Straßen optisch vom Platz abgrenzen. Außerdem wird die Grenze zwischen Platz und Straßen durch eine Reihe Lichtstelen markiert. Den Übergang vom jetzigen Asphalt zum Granitpflaster markieren künftig dunkle Basaltsteine, außerdem mahnen Tempo-20-Schilder die Verkehrsberuhigung an. Straßenbegleitend sollen mittelgroße Winterlinden den neuen Markt einrahmen und für einen Allee-Charakter sorgen. Aufgegriffen wurde der in der Diskussion gegebene Hinweis, durch Leerrohre künftigen Leitungsbedarf kostengünstig stillen zu können.

Diskussionen gab es auch wegen der Parkmöglichkeiten auf dem Marktplatz. Anwohner bemängelten, dass schon jetzt die meisten Straßen in Bahnhofsnähe zugeparkt seien und dass sich diese Situation in Folge der Reduzierung der Stellplätze verschärfen werde. Bürgermeister Ludwig Martin wies darauf hin, dass die Gemeinde für die Anwohner plane, nicht für die Pendler. Bauamtsleiter Marcus Planert ergänzte, dass Borsdorf mit der Deutschen Bahn über den Kauf von Flächen rechts und links vom Bahnhof verhandle, auf denen Parkplätze für Pendler entstehen sollen. Außerdem werden in der Güterladestraße P+R-Flächen eingerichtet.   André Dreilich

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