Am Wegesrand entdeckt: Weiterbildung in Stein gehauen

Wer mit offenen Augen unterwegs ist, sieht manch nette Kleinigkeit am Wegesrand. Das gilt umso mehr, wenn die die Geschwindigkeit der Fortbewegung nicht 50 oder mehr Kilometer pro Stunde beträgt, sondern nur leichtfüßige fünf bis zehn oder geradelte 20. So staunte der Verfasser dieses Textes nicht schlecht, als er am landesweit bekannten “Beuchaer Postkartenblick” zwei hoch aufragende steinerne Stelen erblickte. Ganz ehrlich? Zunächst kam der Gedanke an eines der vielen Mahnmale aus DDR-Zeiten auf; umso angenehmer die Überraschung, dass dort nicht der ruhmreichen Roten Armee gedacht wurde, sondern dass die Stelen dem Beuchaer Granitporphyr und seinen Geschwistern gewidmet sind.

Die Steinbrüche in unserer Nachbargemeinde haben eine sehr lange Tradition. Belegt ist der Abbau des harten Werksteins seit 1477.  Rund 150 Jahre zuvor wurde auf einem Hügel die Beuchaer Bergkirche errichtet, die neben den Kirchen Panitzsch und Hohen Thekla zu den drei Hohepriestern im Leipziger Land gehört. Heute ist der größte Teil des einstigen Hügels einem See gewichen, der Ende der 1950er Jahre durch die Flutung des Kirchbruches entstanden ist. Von den in Hochzeiten sieben Steinbrüchen am Ort ist nur noch der Namens “Sorge” in Betrieb.

Der Beuchaer Granitporphyr ist im Ort beinahe allgegenwärtig. Viele Häuser sind mit dem harten Stein verkleidet, zahlreiche Grundstücke mit Blöcken daraus eingefasst. Und selbst das Schild am Eingang zum einstigen Beuchaer Meliorationsbetrieb besteht aus dem lokalen Rohstoff. Bekanntestes Referenzobjekt des Beuchaer Granitporphyrs ist das Leipziger Völkerschlachtdenkmal, für das in den Brüchen 26.500 Blöcke gewonnen und bearbeitet wurden. Bis nach Amsterdam gelangte das Material aus Sachsen, eine Reihe von Grachten wird von Brücken aus Granitporphyr überspannt.

Umso erfreulicher ist es, dass dem Werkstein zu DDR-Zeiten am Beuchaer Kirchbruch ein Denkmal gesetzt wurde. Und nicht nur ihm: Die gesägten und geschliffenen Steitafeln ermöglichen einen interessanten Blick auf die in der DDR gewonnenen Werksteine. So finden sich Proben von Arnsdorfer Granit und Löbejüner Quarzporphyr ebenso wie Lausitzer und Limbacher Granit, letzterer stammt nicht mehr existenten Fundort Karl-Marx-Stadt. Sogar “Importe” aus dem NSW (für später Geborene: Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet) können besichtigt werden. Allerdings wurden die Granite und der Augengneis nicht gegen Valuta eingekauft, sondern wurden in der Eiszeit per Gletscher angeliefert. Aber auch ohne diesen “Findlingsaufschnitt” wäre das steinerne Bildungsprogramm am Beuchaer Kirchbruch mehr als sehenswert.   André Dreilich

Übrigens: Für diejenigen, die es nicht so mit der Fortbewegung aus eigener Kraft haben … direkt neben den beiden Stelen befindet sich am Kirchbruch ein Parkplatz.

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