„Mit mir nicht!“ – Zoff um „Tempo 30“ an Gefahrenstellen im Gemeindegebiet

Am 29. Oktober 2018 wurde in Panitzsch ein elfjähriger Junge nach dem Aussteigen aus dem Schulbus von einem heranrasenden Auto erfasst und schwer verletzt. Fahrerflucht! Ende November vergangenen Jahres der nächste Unfall: Diesmal war es ein zehnjähriger Radfahrer, der in der Borsdorfer Straße beim Zusammenstoß mit einem Auto schwere Verletzungen davontrug. Einzelfälle? Nein! Regelmäßig kommt es an Kitas, Grundschule und Gymnasium zu gefährlichen Situationen, weil Kraftfahrer nicht genug Rücksicht darauf nehmen, dass Kinder nunmal anders ticken und mit lässigem Tempo 50 (gern dürfen’s auch ein paar km/h mehr sein) unterwegs sind.
Daran ändert auch das Schild „Vorsicht Kinder“ nur wenig. Das amtlich als „Verkehrszeichen Nr. 136“ bezeichnete Schild verlangt zwar lt. StVO von den Fahrzeugführern, so zu fahren, dass sie trotz plötzlich auftauchender Kinder und einer Schrecksekunde immer noch rechtzeitig bremsen können, aber das war’s dann auch schon. Ohne zusätzliches Tempo-30-Schild bleiben 50 km/h im Ort erlaubt … und werden, solange nichts passiert, auch nicht geahndet.
Um das zu ändern und die bekannten Gefahrenstellen zu entschärfen, wurde im Borsdorfer Gemeinderat immer wieder die Einrichtung von Tempo-30-Bereichen an Kitas und Schulen gefordert. Bürgermeister Ludwig Martin bügelte das mit schöner Regelmäßigkeit unter Verweis auf „Verkehrszeichen Nr. 136“ und auf die Rechtslage ab. Die Gemeinde hatte z.B. am heutigen Gymnasium vor Jahren „Tempo 30“ ausgeschildert, der Landkreis habe angeordnet, diese Schilder zu entfernen, da sie nicht notwendig seien.
Aber manchmal geschehen Wunder, die Bundespolitik kommt zur Besinnung und die Rechtslage wird den neuen Erfordernissen angepasst: Am 30. November 2016 (!) ist eine Änderung der Straßenverkehrsordnung in Kraft getreten, die u.a. auch § 45 (Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen) betrifft. Wer’s nachlesen will: In Absatz 9, Punkt 6  wird Tempo 30 an „Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern“ auch ohne ausdrückliche Gefahrenlagen erlaubt.

Doch nur ein Teil der Kommunen nutzt die neuen Möglichkeiten. Die „Freie Presse“ kam zu dem Ergebnis, dass so mancher Bürgermeister sich mit der Geschwindigkeitsbegrenzung schwertut und die bisherigen Warnschilder als ausreichend empfindet. Dieser Auffassung ist auch der Borsdorfer Ortschef. Bei einem Vor-Ort-Termin mit Bürgern sowie Mitgliedern der CDU-Fraktion des Gemeinderates an der Dr.-Margarete-Blank-Grundschule in Panitzsch sprach Ludwig Martin deutliche Worte: „Mit mir nicht; und sollte der Gemeinderat das beschließen, werde ich widersprechen!“

Im April hatte die CDU-Fraktion im Gemeinderat den Antrag gestellt, vor Schulen und Kitas im Gemeindegebiet generell Tempo 30 einzurichten (Fotos 1,2,3 über diesem Beitrag). Darauf kam aus dem Rathaus die (richtige) Antwort, dass die Kitas „Apfelkörbchen“ und „Kinderland“ sich in Tempo-30-Zonen befinden, ergänzt durch die nicht korrekte Aussage, dass bei den anderen Einrichtungen die rechtlichen Voraussetzungen für Tempo 30 nicht gegeben seien. Im April hatte die CDU-Fraktion im Gemeinderat den Antrag gestellt, vor Schulen und Kitas im Gemeindegebiet generell Tempo 30 einzurichten (Fotos 1,2,3 über diesem Beitrag). Darauf kam aus dem Rathaus die (richtige) Antwort, dass die Kitas „Apfelkörbchen“ und „Kinderland“ sich in Tempo-30-Zonen befinden, ergänzt durch die nicht korrekte Aussage, dass bei den anderen Einrichtungen die rechtlichen Voraussetzungen für Tempo 30 nicht gegeben seien. Für Gemeinderätin Katharina Wagner ist das Thema damit nicht vom Tisch: „Wir werden der Verwaltung in diesem und einigen anderen Punkten Dampf machen. Es kann nicht sein, dass bei uns die geltenden rechtlichen Möglichkeiten für mehr Sicherheit nicht genutzt werden.“

Wie unterschiedlich geltendes Recht auch anderweitig ausgelegt wird, sollen das Bild 4 über diesem Beitrag und das folgende Foto verdeutlichen: Im Gemeinderat wurde in der zurückliegenden Wahlperiode auch über ein generelles Tempo 30 in der „Dreiecksiedlung“ diskutiert. Auch diese Beschilderung wurde durch die Verwaltung abgelehnt. Als Begründung wurde aufgeführt, dass eine Tempo-30-Zone eine Vorfahrtsregelung „rechts vor links“ erfordere und dass diese wegen des durch die Dreiecksiedlung fahrenden Linienbusses nicht zulässig sei. Doch wenige Kilometer entfernt, in Taucha, rollt der Linienbus durch eine ebensolche Tempo-30-Zone. Gelten im Nachbarkreis andere Gesetze als in Borsdorf?

André Dreilich

Wundersame Welt: In Taucha fährt der Linienbus in einer Tempo-30-Zone mit „rechts vor links“, in der Borsdorfer Dreiecksiedlung ist das rechtlich nicht umsetzbar.     Foto: André Dreilich

 

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