Bücher statt Brunnen, Bad und Bälle: Ein vorsichtiger Blick in die künftige Borsdorfer Bibliothek

Baustellen üben nicht nur auf Kinder eine magische Anziehungskraft aus. Auch Menschen im Erwachsenenalter spähen gern mal durch ein Astloch, um zu sehen, was sich hinter dem Bauzaun so tut. So war es auch am 8. Mai 2019, als die traditionelle Radrundfahrt des Borsdorfer CDU-Ortsverbandes am Freien Gymnasium Station machte. Architekt Christian Strauß informierte vor Ort über den Umbau der einstigen Turnhalle der alten Borsdorfer Schule zur künftigen gemeinsamen Bibliothek von Gemeinde und Freiem Gymnasium Borsdorf (FGB). Für die Besucher war der Baustellenbesuch in zweifacher Hinsicht positiv: Zum einen erhielten sie Informationen aus erster Hand, zum anderen entkamen sie für einige Minuten dem nervigen Regen.

Die Turnhalle war 1911, als die Schule eröffnet wurde, hochmodern. Ein reichliches Jahrhundert später konnte man sie mit viel Sympathie bestenfalls als „aus der Zeit gefallen“ bezeichnen. Zu klein, zu unflexibel, zu verschlissen. Neudeutsch heißt soetwas wohl „shabby“. Und so entwickelten Bianca und Christian Strauß den Plan, nach Fertigstellung der Borsdorfer Zweifelderhalle die dann nicht mehr benötigten Turnhalle zur Bibliothek umzubauen.

Wobei: Das Wort „Umbau“ ist eine charmante Untertreibung. Was bis Ende August 2019 abgeschlossen sein soll, hat viel von einem Neubau. Der alte Hallenboden wurde bis auf den anstehenden Lehm entfernt. Dabei kam ein Brunnen ans Licht, der bei älteren Borsdorfern Erinnerungen ans hier einst betriebene Bad aufkommen ließ. Längst ist der Brunnen unter der neuen Bodenplatte verschwunden. Das vielfach vernarbte Ziegelmauerwerk ist nur noch im Fensterbereich zu sehen und soll dort an die einstige Nutzung erinnern. Apropos Fenster: Die alten sind längst entfernt und durch neue Holzrahmenfenster ersetzt worden, die dem Denkmalcharakter Rechnung tragen.

Die alte Turnhalle – hier bei einer Veranstaltung zur Berufsorientierung 2015 – ist Geschichte. Fotos: André Dreilich

Für Staunen sorgte bei den Baustellenbesuchern die massive Zwischendecke. Sie ruht auf Betonpfeilern und verhilft der knapp sechs Meter hohen Halle zu einer gut 80 Quadratmeter großen Galerie. Entlang der Fensterfront bleibt ein Drittel der Halle frei, sodass ein sehr luftiger Gesamteindruck entstehen wird. Auf der Galerie werden 24 Arbeitsplätze mit Internetzugang, Drucker und Kopierer sowie der Arbeitsbereich der Bibliothekarin Platz finden. Verschiedene Funktions- und Nebenräume bis hin zum Schulbuchlager runden das rund 500.000 Euro teure Vorhaben ab.

Da sich Gemeinde und FGB die Bibliothek teilen werden, wurde von vornherein auf Zuwachs geplant: Wenn die über 10.000 Medien aus der bisherigen Gemeindebibliothek ins neue Domizil umgezogen sind, sollen die knapp 500 Regalmeter noch genügend Reserven für künftige Bestandserweiterungen bieten. Die gemeinsame Nutzung hat noch weitere Konsequenzen: Um die Bibliothek auch außerhalb der Schulzeit öffentlich nutzen zu können, verfügt sie über einen vom FGB unabhängigen Eingang. Damit ist z.B. auch eine Nutzung für Veranstaltungen möglich, die dem Bauherren, der Volkssolidarität Leipziger Land/Muldental am Herzen liegt. Anspruchsvoll war nach Aussage des Architekten die Abstimmung mit der Sächsischen Aufbaubank, die die Bauvorhaben des FGB finanziell fördert. „In Sachsen gab es bisher noch keine gemeinsam betriebene Bibliothek von Schule und Gemeinde, sodass wir hier Neuland betreten haben.“   André Dreilich

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